Der Strom aus Energiepflanzen ist teuer bezahlt, den Preis zahlen Artenvielfalt und Klimaschutz.

Was bei einer Kuh an einem Tag hinter herauskommt, reicht aus, um in einem Jahr etwas mehr 1000 kWh an Strom zu produzieren. (Für ein Schwein sind es etwa 70 kWh.) Drei Kühe reichten also aus, um den Strom eines durchschnittlichen Zweipersonenhaushaltes zu erzeugen – falls die Kuhfladen in einer Biogasanlage landen.

Es liegt nahe, diese Energie zu nutzen. Aber was einmal eine gute Idee war, hat sich durch falsche Anreize zu einem Wahnsinnssystem entwickelt. Dennoch, das Wort „Biogas“ klingt immer noch gut, es assoziiert den Begriff „Öko“, es erinnert an Naturverträglichkeit, ja nach einer richtig zukunftsfähigen Form der Energiegewinnung, die in die Zeit passt. Aber bei genauerem Hinsehen gehören Ökologie und Klimaschutz keinesfalls zu den Gewinnern des Systems „Biogasanlagen“:  Ein  Gewinner ist leicht auszumachen: es ist die Wildschweinpopulation! Wildschweinen geht es mit den Maisfelder prächtig, ihre Anzahl hat sich in den letzten Jahrzehnten – je nach Quelle – mindestens vervierfacht: Die Zahl der erlegten Wildschweine hat sich von etwa 130.000 im Jahr 1982 auf nunmehr 600.000 erhöht, lt. Deutschem Jagdverband. Das folgende Video zeigt, warum das so ist.

Maisäcker sind ein Paradies für Wildsauen. Sobald der Mais hoch genug steht, ziehen sie dort ein wie in eine mietfreie Wohnung mit Vollversorgung. Sie müssen ihren Einstand nicht einmal mehr verlassen, der Maisacker liefert Deckung und energiereiches Futter zugleich. Nun ja, mit der Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest erfährt das Thema nun eine gewisse  Brisanz.

Im Agrarbericht Bayern aus dem Jahr 2018 wird folgende Angabe gemacht: In Bayern werden etwa 10 % der landwirtschaftlichen Fläche für die Substratversorgung der bayerischen Biogasanlagen genutzt, und das ist nicht nur Mais. 10%, das sind mehr als 300.000 ha., eine beachtliche Fläche. Da sollte dann aber ganz schön was an Strom herauskommen!  Weit gefehlt, die gesamte installierte elektrische Leistung von Biogasanlagen beträgt in Bayern gerade mal 1306 MWh, das ist weniger als die Leistung des abgeschalteten Kernkraftwerks Grafenrheinfeld.

Für Deutschland sind es 14 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche, die für die Produktion von Energiepflanzen genutzt werden wie die Graphik zeigt.

Diese Fläche lässt sich noch genauer aufschlüsseln.

Eine Fläche von mehr als 26.000 km2, deutlich größer als die Fläche des Bundeslandes Hessen! Ja, das sollte dann doch riesige Strommengen ergeben! Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das alles aber als große Enttäuschung. Warum denn das?

Die Photosynthese ist ein Wunder der Natur: Die Pflanzen dieser Erde sind in der Lage, mit Hilfe des Farbstoffs Chlorophyll die Energie des Lichts in chemische Energie zu verwandeln. Es entstehen energiereiche organische Verbindungen wie etwa Öle oder Kohlenhydrate, die wir für unsere Ernährung brauchen. Und nun kommt die interessante Frage:  Welche Form der Umwandlung von Sonnenenergie in Strom ist nun effizienter:  die Verwertung von Mais oder Raps etwa,  oder die direkte Erzeugung von Strom auf derselben Fläche mit einer Photovoltaik-Anlage?  Wenn Sie auf Pflanzen tippen, dann gehören Sie zwar zur Mehrheit, liegen aber falsch. Sie liegen sogar richtig falsch. In Wirklichkeit liegen Welten zwischen den Wirkungsgraden von Energiepflanzen und einer PV-Anlage.

Der Wirkungsgrad der Photosynthese liegt zwischen ein bis vier Prozent, in Abhängigkeit von Faktoren wie Pflanzenart oder Standort. Aber selbst bei einem Wirkungsgrad von 4 % müssen die Pflanzen angesät, gedüngt, gegen Schädlinge behandelt,  geerntet, fermentiert oder gepresst , das in einer Biogasanlage entstehende Gas muss gereinigt und in einem Generator in elektrische Energie umgewandelt werden. Das macht sich nicht gut für die Gesamtbilanz, egal ob Pflanzen für Bioethanol, Biodiesel oder Substrat für Biogasanlagen angebaut werden.

Berücksichtigt man all diese Faktoren, so ergibt sich ein Effizienzverhältnis von       1: 55  –  zugunsten der Photovoltaik!! Eine Studie an der Universität der TUM ergab schon im Jahr 2010 dieses eindeutige Ergebnis speziell für die Stromproduktion mit Biogasanlagen. Das gilt aber auch für die Produktion von „Biokraftstoffen“.  Das Wort sollte in Anführungszeichen gesetzt werden – und dabei sollten wir auch an das Bioethanol in unserem E10 -Benzin aus Südamerika denken, für das der Regenwald abgehackt wird.

In der Tat stehen den   18.200 kWh/ha und Jahr    von einem Maisfeld etwa  1.000.000 kWh  für eine Solaranlage auf einem Hektar und Jahr entgegen. (http://docplayer.org/44223341-Technische-universitaet-muenchen.html) Das ist ein so unglaublicher Unterschied, dass Zweifel an der Zukunftsfähigkeit einer Stromerzeugung mit Energiepflanzen geboten sind.  Die Graphik macht es nochmal deutlich. Die Flächen stellen die Menge an Strom dar, die von einem Hektar Fläche geerntet werden kann.

Es gibt zwei andere wichtige Aspekte, die bei dieser Überlegung noch gar nicht „eingepreist“ sind. Es ist zum einem die geradezu katastrophale CO2-Bilanz, die sich beim Anbei von Mais oder Getreide ergibt: Nach der oben genannten Studie werden beim Anbau von Mais ca. 5.300 kg ha-1 und Jahr freigesetzt. Die Hauptursache hierfür ist der Humusabbau, der für etwa 70 % dieses Wertes verantwortlich ist. Wir wundern uns ja stets, dass die Landwirtschaft für mehr als 21 % der CO2-Emissionen verantwortlich ist. Hier ist eine der Ursachen zu finden.

Der zweite Aspekt gewinnt durch die aktuellen Fakten über das Artensterben ein immer größeres Gewicht. Um es mal weniger abstrakt zu machen, zitiere ich aus einem Artikel der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR e. V.), dort heißt es zur Vergärung von sogenanntem Grünroggen, also Roggen, der zu einem frühen Zeitpunkt lange vor der Reife geerntet wird:

„Als problematisch im Hinblick auf die Auswirkungen auf bestimmte Tierarten wird beim Anbau von Grünroggen der frühe Erntezeitpunkt im Mai gesehen. Die Ernte fällt somit exakt in die Brut- und Nestlingszeit fast aller bodenbrütender Vogelarten (z. B. Feldlerche, Schafstelze, Rebhuhn). Eine Ernte zu diesem Zeitpunkt führt zum Verlust sämtlicher Nester und Jungvögel auf diesen Flächen. Ebenso können weitere Tierarten wie Feldhase und Reh betroffen sein, da sie zu dieser Zeit mit ihren Jungen Deckung im hohen Getreide suchen.“

Kurzum, ohne lange über Artensterben, über Nitrat im Trinkwasser, über Bodenverdichtung, Herbizide oder Fungizide und andere Begleiterscheinungen der industrialisierten Landwirtschaft zu diskutieren: Wenn wir nur die Hälfte der Flächen für die Energiepflanzenproduktion in Deutschland stilllegen würden, könnten wir vieles von dem erreichen, was notwendend bzgl. Klima und Artenschutz ist: Wir könnten Bäume pflanzen, wir könnten extensiv beweiden, Flächen brach liegen lassen, sie wieder vernässen, unseren Bächen mehr Raum geben, und damit Lebensräume für viele Arten schaffen; und wir könnten auf einem Teil der Flächen wieder so etwas wie Wildnis entstehen lassen.

 Wir würden CO2-Quellen in CO2-Senken umwandeln!

Und die andere Hälfte? Wir könnten entscheiden: Wollen wir eine effektivere Energiegewinnung als mit Energiepflanzen? Wenn ja, dann könnten wir sie mit PV-Anlagen belegen, und auch diese Flächen würden viele neue Lebensräume entstehen lassen. Auf dieser Hälfte, immerhin mehr als 1.300.000 Hektar, könnten wir 1,3 Mio x 1000 MWh Strom erzeugen. Das wären immerhin 1300 TWh. Zur Erinnerung: der Stromverbrauch in Deutschland lag im Jahr 2019 bei etwas mehr als 500 TWh.

Vielleicht würden wir mit dieser Argumentation die mehr als sinnvolle Belegung unserer Dachflächen mit PV-Anlagen unterlaufen, aber vielleicht ist es auch umgekehrt: Die Zahlen machen deutlich, dass es für politische Entscheider höchste Zeit ist, PV auf Dächern durch klare Vorgaben nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern. Aber eine diskussionswürdige Perspektive im Kampf für den Klimaschutz ist es allemal.

 

 

Franz Zang
Author

Der Autor Franz Zang war 40 Jahre Lehrer für Mathematik, Sport und Ethik an einem Gymnasium. Er ist seit vielen Jahren im Naturschutz engagiert und seit 2012 Vorsitzender des BUND Naturschutz der Kreisgruppe Bad Kissingen im Biosphärenreservat Rhön. Er ist Beirat des BUND Naturschutz in Bayern e. V. und Bundesdelegierter.