Nur ein schneller Ausbau der Erneuerbaren Energien ermöglicht den klimafreundlichen Einstieg in eine Wasserstofftechnologie.
Natürlich hat Wasserstoff keine Farbe! Aber alle Meldungen über Wasserstoff, die wir gerade im Zusammenhang mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) der Bundesregierung lesen und hören können, zwingt uns, genauer hinzuschauen. Denn die NWS der Bundesregierung schließt blauen Wasserstoff in ihre Strategie mit ein. Mit insgesamt neun Milliarden Euro will die Bundesregierung die Gewinnung und den Einsatz von Wasserstoff fördern. Und dabei kommt es auch auf die Farbe des Wasserstoffs an.
Erst einmal zu den Farben, die die Herkunft von Wasserstoff kennzeichnen. Bisher wird Wasserstoff in sehr großen Mengen aus Erdgas hergestellt. Dabei wir in einem Verfahren aus Methan, CH4 also, einem gefährlich wirksamen Klimagas Wasserstoff durch ein altbewährtes Verfahren hergestellt. Wir reden dabei nicht über wenige Tonnen, tatsächlich werden in Deutschland pro Jahr 300 – 400 TWh Wasserstoff einsetzt: In Raffinerien und bei der Erzeugung von Dünger vor allem. (Dass dann mehr als ein Drittel dieser Düngemittel in Nord- und Ostsee und darüber hinaus in unserem Grundwasser landen, das muss hier erwähnt werden!) Damit diese Zahl besser eingeordnet werden kann: Der gesamte deutsche Stromverbrauch beläuft sich pro Jahr auf etwas mehr als 500 TWh! Eine TWh = 1.000.000.000 kWh = 1 Mrd. kWh, und diese Zahl macht klar, über welche Dimensionen wir hier sprechen. Der so erzeugte Wasserstoff wird grauer Wasserstoff genannt, bei seiner Produktion wird das freiwerdende CO2 in die Atmosphäre abgegeben, ein Verfahren, das wir uns aus Klimaschutzgründen nicht mehr leisten können.
Wird nun das freiwerdende CO2 einfangen und mit dem CCS-Verfahren in die Erde verpresst (Carbon Caputure storage), allerdings gibt es dafür bislang lediglich Versuchsverfahren, so wird aus dem grauen Wasserstoff blauer Wasserstoff , die schöne Farbe blau erteilt diesem Verfahren so etwas wie den Anschein einer Absolution, fälschlicherweise. Wenn mit dem Verfahren der Methanpyrolyse aus Erdgas das anfallende CO2 als Feststoff zurückgehalten wird, sprechen wir von türkisem Wasserstoff. Wirklich klimaneutral wird Wasserstoff jedoch nur dann, wenn er mit erneuerbarem Strom wie etwa aus PV-Anlagen oder Windrädern erzeugt wird, das ist dann der grüne Wasserstoff. Diese etwas verwirrenden Unterscheidungen werden in dem sehr informativen Podcast
https://www.digitalkompakt.de/
dargestellt. Unter der Überschrift „Wasserstoff – der Hidden Champion der Energiewende“ wird ab Minute 5 diese Farbenlehre sehr verständlich beschrieben.
Soweit erst einmal zu den Farben des Wasserstoffs. Für die Erreichung der Pariser Klimaziele müssen so gut wie alle Prozesse, die Energie verbrauchen decarbonisiert werden, das kann in vielen Bereichen nur mit Wasserstoff geschehen: Zu nennen ist hier die Stahlproduktion, bei der der Wasserstoff die Kohle ersetzt. Alle synthetischen Kraftstoffe, die wir in Zukunft für die Luftfahrt, für Schiffe oder für große Lastwagen brauchen – mit Batterien ist in diesen Fällen nichts zu machen – haben als Grundlage Wasserstoff. Mit welchen Verfahren synthetische Kraftstoffe wie Kerosin beispielsweise aus Wasserstoff hergestellt werden, auch das vermittelt neben dem Bild sehr gut der oben genannte Podcast.
Quelle: https://www.klimaschutz-portal.aero/klimaneutral-fliegen/alternative-kraftstoffe/kerosin-herstellen/)
Welche Mengen an Strom brauchen wir dann? Eine kurze Überschlagsrechung gibt uns in etwa eine Vorstellung der Größenordnung. Die Erneuerbaren Energien deckten im Jahr 2019 etwa 45% des Stromverbrauchs in Deutschland ab. Wenn wir einen gerundeten Wert von 50% annehmen, so können wir sagen, dass von den 500 TWh im Jahr 2019 bereits 250 TWh aus erneuerbaren Quellen stammte. Das klingt gut, aber Strom bildet nur einen Bruchteil (20%) unseres Energieverbrauchs. Wenn wir uns vorstellen, wie viele Windräder und wie viele PV-Anlagen dafür schon in Deutschland stehen, dann ahnen wir die Herausforderung. Denn zu dem schon genannten Wasserstoff kommt die Decarbonisierung des gesamten Verkehrs und die Substitution der Kohle bei der Stahlherstellung hinzu. Für die Stahlherstellung gibt es keine konkreten Zahlen, aber es reicht, den Bedarf für den Verkehrssektor zu überschlagen: Der Strombedarf für einen hundertprozentig elektrifiziertem Pkw-Verkehr hat eine Größenordnung von etwa 100 TWh. Diese Zahlen werden sowohl von einer Studie von McKinsey als auch vom Umweltministerium prognostiziert, das ist etwas weniger als ein Sechstel der aktuellen Bruttostromerzeugung in Deutschland. Für Selbstrechner: Bei 45 Mill. Fahrzeugen mit einer durchschnittlichen Jahreslaufleistung von 13.000 km und einem Verbrauch von 17 kWh pro 100 km ist diese Zahl leicht zu verifizieren. Hinzu kommen noch die synthetischen Kraftstoffe für schwere LKWs, Busse, Schiffe und den gesamten Flugverkehr. Für letzteren müssen 11 Mrd. Liter Kerosin ersetzt werden. Das ist zwar deutlich weniger als die rund 45 Mrd. Liter an Benzin oder Diesel für unsere Autos, allerdings ist der Wirkungsgrad für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen deutlich geringer als es bei einer direkten Nutzung von Strom für den Antrieb durch einen Elektromotor wäre.
Das ist ein Szenario, in dem bislang unklar ist, woher diese großen Mengen an Wasserstoff kommen sollen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass wir bis ins Jahr 2050 knapp 50 Millionen Tonnen Wasserstoff einführen werden. In einem Interview mit dem Handelsblatt im Februar 2020 meinte denn auch der Wasserstoffexperte vom Max-Planck-Institut, Robert Schlögl, die Diskussion um die Windräder in Deutschland sei ein „sinnloser gesellschaftlicher Abnutzungskampf, denn wir werden hier ohnehin niemals autark sein. Wenn es die Regierung schafft, den heutigen Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch auf Dauer stabil bei 15 Prozent zu halten, wäre das schon ein Riesenerfolg.“ Die geradezu euphorische Haltung der Bundesregierung wird auch gedämpft von Claudia Kemfert vom DIW, die eine Parallele zum Hype der Atomenergie-Unternehmen in den 80er Jahren sieht: „Wer von Wasserstoff träumt, muss in erneuerbare Energien investieren und deutlich schneller ausbauen als bisher.“ Sie bezeichnet Wasserstoff als den Champagner der der Energieformen, mit dem angemessen umgegangen werden muss. Die Konfliktlinien zeichnen sich also schon in den Reaktionen auf die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ab. Ich stelle hier lediglich einige der Einwände in Form von Fragen vor:
- Wie utopisch ist es, in Deutschland genug Erneuerbaren Strom für die Erzeugung von grünem
Wasserstoff herzustellen? - Wieso behindert angesichts der Faktenlage die Bundesregierung weiterhin die Entwicklung auf
einem Weg zur Bürgerenergie besonders beim Ausbau der PV-Industrie? - Könnten überhaupt die notwendigen Erzeugungskapazitäten in der notwendigen Zeit zur Verfügung gestellt werden, und ist 5 GW-Ziel bis 2030 der Bundesregierung nicht viel zu kurz gegriffen?
- Ist das Festhalten der Bundesregierung am Verbrennungsmotor trotz der Alternative E-Mobilität nicht völlig abwegig weil ineffizient?
- Was bedeutet es, wenn wir die Abhängigkeit von Ölförderländern eintauschen gegen die Abhängigkeit von einer Art Wasserstoff-Opec aus Sahara-Anrainern, Australien und Feuerland?
- Besteht nicht die Gefahr, dass in den trockenen Regionen Afrikas ein Konflikt zwischen Wasserstofferzeugung und Trinkwasserversorgung entsteht?
- Könnte es nicht sein, dass die Schwer- und die Chemieindustrie dorthin abwandert, wo Wasserstoff billig zur Verfügung steht?
- Bleibt uns letztlich nicht doch nur der Weg, unseren Energieverbrauch drastisch zu reduzieren, also unsere Mobilität einzuschränken und unsere Konsum- und Verbrauchsmuster zu überdenken? Angesichts der Faktenlage bei der Düngerproduktion und vieler Wegwerfprodukte aus Plastik wäre ein Umdenken ohnehin angebracht.
Einig sind sich die Akteure lediglich in dem Punkt, dass der Wasserstoff der Zukunft grün sein muss. Das ist wenig, könnte aber wenigstens den Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland beschleunigen.